Großregion
Großregion
Beteiligte Staaten
Deutschland, Frankreich, Luxemburg und Belgien
Beteiligte Bundesländer, Provinzen, Regionen
Rheinland-Pfalz, Saarland (D)
Grand-Est (F)
Luxemburg (L)
Wallonische Region mit der Französischen Gemeinschaft Belgiens und der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens (B)
Bevölkerung: 11,3 Mio.
Fläche: 65.400 km²
Kernstädte: Mainz, Ludwigshafen, Koblenz, Trier, Kaiserslautern (Rheinland-Pfalz; D); Saarbrücken (Saarland; D); Metz, Nancy (Lothringen; F); Luxemburg-Stadt (L); Charleroi, Lüttich, Namur, Mons (Wallonien; B)
Die Großregion Saarland – Lorraine – Luxemburg – Rheinland-Pfalz – Région Wallonne – Communauté Française de Belgique und Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens (im Folgenden kurz Großregion) ist ein grenzüberschreitender Kooperationsraum im Kerngebiet Europas. Dieser Raum war über viele Jahrhunderte Spielball der territorialen Ansprüche europäischer Mächte und Austragungsort zahlreicher Kriege. Zudem ist er historisch durch unterschiedliche Grenzlagen geprägt. Auf den trennenden und verbindenden gemeinsamen historischen Wurzeln wurde seit den 1960er Jahren ein enges Kooperationsgeflecht der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Zusammenarbeit aufgebaut. Heute prägen enge Wirtschaftsverflechtungen und vielfältige Grenzgängerströme den Raum. Allerdings partizipiert die Großregion trotz räumlicher Nähe nicht wesentlich von der transeuropäischen Entwicklungsachse und dem wirtschaftlichen Rückgrat Europas von London bis Mailand, der so genannten „Blauen Banane“.
Die Großregion ist insgesamt räumlich sehr heterogen strukturiert, nur mäßig verdichtet und durch die verschiedenen Oberzentren in den nationalen Teilräumen polyzentrisch organisiert. Der Stadt Luxemburg kommt dabei trotz ihrer vergleichsweise geringen Einwohnerzahl von rund 85 000 auf Grund ihrer wirtschaftlichen Dynamik und ihrer Funktion als Sitz europäischer Institutionen eine besondere Bedeutung zu. Der zentrale Ballungs- und Kernraum der Kooperationen wird begrenzt durch die Städte Trier, Luxemburg, Metz, Nancy, Saarbrücken, Kaiserslautern und Lüttich. Nicht wenige Agglomerationen sind funktional über Staatsgrenzen miteinander verbunden (z.B. Saarbrücken – Moselle-Est) und stellen grenzüberschreitende Verflechtungsräume dar. Der zentrale Ballungs- und Kernraum ist umgeben von ländlich-peripher geprägten Gebieten, die einen nicht unerheblichen Flächenanteil einnehmen. Dies spiegelt sich auch in einer großen Zahl von Naturparks wider, die eine besondere Bedeutung für den Tourismus besitzen.
In der Großregion hat die grenzüberschreitende Zusammenarbeit eine lange Tradition. In der Kernregion Saarland, Lothringen und Luxemburg bildeten der wirtschaftliche Aufschwung und später der wirtschaftliche Niedergang von Bergbau, Eisen- und Stahlindustrie anfangs die zentralen Elemente nachbarschaftlicher Kooperationsbeziehungen. Die größten Probleme bei der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit bereiten die unterschiedlichen Rechts- und Verwaltungssysteme der Teilregionen. Dies ist in der Großregion besonders ausgeprägt, da hier Luxemburg als souveräner Staat, zwei föderale deutsche Bundesländer, drei belgische Teilregionen und eine teil-dezentralisierte französische Verwaltungsregion mit partiell zuständigen Départements miteinander kooperieren. Die Gebietsreform in Frankreich führte dazu, dass Lothringen nun Teil der neuen Region Grand-Est ist und sich dadurch neue Kompetenzregelungen ergeben.
Städtisches System in der Großregion (Kartographie: agl der Basis von Geodaten des BBSR und der Regionen)
Trotz dieser Schwierigkeiten gibt es inzwischen eine Vielzahl von interregionalen Institutionen und Gremien und ein dichtes Kooperationsgeflecht. Ein erster zur Kooperation beitragender Schritt war die Gründung der deutsch-französischen Regierungskommission auf nationaler Ebene im Jahr 1970. Auch fast 50 Jahre nach diesem, für die grenzüberschreitende Kooperation historischen Ereignis, liegt der Zuständigkeitsbereich der Regierungskommission noch immer in der Schaffung formeller Voraussetzungen für die grenzüberschreitende Kooperation. Sie besteht aus der Delegation regionaler Vertreter der vier beteiligten Staaten. Wallonien als Teilregion Belgiens wurde jedoch erst 2005, das heißt 24 Jahre nach der vertraglichen Verankerung (1981) integriert. Im Zusammenhang mit dieser Institution entstand ein Jahr später die Regionalkommission Saarland-Lothringen-Luxemburg-Trier/Westpfalz als handelndes Organ der deutsch-französischen Regierungskommission auf regionaler Ebene. (s. Groß et al. 2006: 59)
Im Rahmen der regelmäßigen Gipfeltreffen der Ministerpräsidenten der Großregion koordinieren die deutschen Bundesländer Rheinland-Pfalz und Saarland, die französische Region Grand-Est mit ihren Départements, das Großherzogtum Luxemburg sowie die Region Wallonien mit der Französischen Gemeinschaft Belgiens und der Deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens ihre gemeinsamen Kooperationsprojekte. Der 1995 eingeführte Gipfel der Großregion repräsentiert eine Fläche von 65 400 km² mit rund 11,3 Mio. Einwohnern und ist damit eine der größten Grenzregionen in Europa. Die Bevölkerung verteilt sich jedoch sehr unterschiedlich auf die Teilräume der Großregion. Im Schnitt liegt die Bevölkerungsdichte in der Großregion bei 173 EW/km². Die höchste Siedlungsdichte weist dabei das Saarland mit 410 EW/km², die geringste Lothringen mit 99 EW/km² auf. Das Gipfeltreffen der Großregion bestimmt die politischen Leitlinien der Kooperation und hat sich einen beratenden interregionalen Wirtschafts- und Sozialausschuss (WSAGR) zur Seite gestellt. Das Aufgabenspektrum des WSAGR umfasst generell die Beschäftigung mit Problemen, die die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklungen betreffen. Durch Stellungnahmen und Beschlüsse wird versucht, eine Beseitigung der Missstände herbeizuführen (s. Website Großregion – WSAGR). Für den Bereich der Raumordnung wurde der Koordinierungsausschuss für Raumentwicklung (KARE) gegründet.
Auf legislativer Ebene entstand der Interregionale Parlamentarierrat (IPR) im Jahr 1986. Modellhaft wurden erstmals in der EU Parlamentarier gewählt und mit der Bearbeitung grenzüberschreitender Belange beauftragt. Obwohl keine legislativen Befugnisse bestehen, hat dieses Gremium bis heute Bestand und war sogar Vorbild für die Einführung des „Oberrheinrates“ zwischen dem Elsass, Baden, der Nordwestschweiz und der Südpfalz (s. Kap. 2.3). Der IPR setzt sich aus Mitgliedern des Regionalrats von Lothringen, der Abgeordnetenkammer des Großherzogtums Luxemburg, des Landtags von Rheinland-Pfalz, des Saarlandes und des wallonischen Parlaments zusammen. (s. Grimm 2001: 89-91; s. Website Großregion – IPR)
Institutionelle Kooperationsstrukturen in der Großregion (Saarland, Ministerium für Finanzen und Europa; Entw. M. Niedermeyer)
1997 wurde der Verein Zukunft SaarMoselle Avenir zur Förderung der kommunalen grenzüberschreitenden Zusammenarbeit zwischen den benachbarten Städten, Gemeinden, Gemeindeverbänden sowie kommunalen Zweckverbänden aus dem Saarland und dem Département Moselle mit Sitz in Sarreguemines und Kooperationsbüro in Saarbrücken ins Leben gerufen. Mitglieder sind 26 deutsche und französische Gemeinden und Gemeindeverbände im Grenzraum Saarbrücken/Moselle-Est. Die Erfolgsgeschichte des Vereins kann bis heute verfolgt werden. So wurde beschlossen, den Verein Zukunft SaarMoselle Avenir in einen Eurodistrikt zu überführen. Die Unterzeichnung der gemeinsamen Erklärung zum Eurodistrikt Saarbrücken-Moselle-Est am 5. Mai 2004 durch die Präsidenten der Gemeindeverbände und Bürgermeister der Städte des Stadtverbandes Saarbrücken und des Département Moselle als Partner im Verein Zukunft SaarMoselle Avenir war ein weiterer Schritt in der grenzüberschreitenden Kooperation. Die eigentliche Gründung wurde jedoch erst am 6. Mai 2010 vollzogen (Saarbrücker Zeitung 7. Mai 2010). Das besondere am Eurodistrikt ist seine Struktur als Europäischer Verbund für territoriale Zusammenarbeit. Ein weiterer EVTZ wurde zwischen Frankreich und Luxemburg gegründet (EVTZ Belval).
Darüber hinaus kooperieren zahlreiche Kammern und Verbände aus Wirtschaft und Gesellschaft (z.B. Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern oder Gewerkschaften) mit dem Ziel, die Auswirkungen der nationalen Unterschiede der Wirtschafts-, Sozial- und Rechtssysteme abzubauen.
Zu einer wesentlichen Verbesserung der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit hat die europäische Gemeinschaftsinitiative INTERREG beigetragen. Das INTERREG III C-Projekt „E-Bird“ förderte als Miniprogramm erstmals verschiedene Projekte mit Partnern aus der gesamten Großregion und kann damit als Wegbereiter für die folgenden INTERREG IV A- und V A- Programme zur grenzüberschreitenden Zusammenarbeit in der Großregion angesehen werden.
Grundsätzliches Ziel der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit ist es, gemeinsamen Problemstellungen koordiniert und abgestimmt zu begegnen und regionale Ungleichgewichte abzubauen. Sie verfolgt das Ziel, die Verständigung und das Zusammenleben der Menschen über die Grenzen hinweg zu verbessern und einen Mehrwert aus der Grenzlage zu generieren. Die Teilräume gewinnen durch die Kooperation, da sie von der nationalen Randlage ins Zentrum der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit gerückt werden und damit auch nach außen ein stärkeres Gewicht erhalten. Mit dem Zukunftsbild 2020 wurde 2003 auf dem 7. Gipfel eine gemeinsame Grundlage verabschiedet, um die Großregion als gemeinsamen Handlungsraum zu begreifen und zu gestalten. Seit dem 01.01.2018 wird im Rahmen von INTERREG V A ein gemeinsames Raumentwicklungskonzept erarbeitet.
Quellen
Groß, Bernd; Wille Christian; Gengler, Claude; Thull, Patrick (2006): SaarLorLux von A-Z. Handbuch für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Großregion. 1. Auflage. Baden-Baden: Nomos
Website Großregion – WSAGR, Abruf am 03.07.2010 unter: www.granderegion.net/de/cooperation-politiqueinterregionale/architecture_institutionnelle/cesgr/index.html
Grimm, Christoph (2001): Interregionaler Parlamentarierrat. In: Leinen, Jo (Hrsg.): Saar-Lor-Lux. Eine Euro-Region mit Zukunft? = Schriftenreihe Geschichte, Politik & Gesellschaft der Stiftung Demokratie Saarland; Band 6. Sankt Ingbert: Röhrig: 89-101
Website Großregion – IPR, Abruf am 17.03.2010 unter: www.granderegion.net/de/cooperationpolitique-interregionale/conseil-parlementaireinterregional/index.html
Website Großregion – Lothringen, Abruf am 16.02.2018 unter: www.grossregion.net/Die-Grossregion-kompakt/Kooperationsraum/Lothringen
Saarbrücker Zeitung 07.05.2010: Saarbrücken braucht Millionen aus Brüssel. Saarbrücken